Schwierig.
Alle, alle haben schon ihren Senf dazu gegeben, aber ich muss jetzt
auch noch mal. Nicht, damit das gelesen wird, sondern damit ich damit
umgehen kann.
Tag
für Tag machen mich diese Kommentare so traurig, dass ich meinen
extrem tiefsitzenden Glauben an die Menschheit verliere.
Vor
einigen Monaten hatten wir im Zuge des hohen Medientrubels, einen
Vater mit seinem Sohn bei uns zuhause. Hady und Abdelfarid. Meine
Mutter hatte sie frierend vorm LaGeSo aufgesammelt, um sie zum
Abendessen einzuladen. Ich htte mein altes Lego rausgelegt und
während meine Mutter und ich kochten, spielte Abdelfarid damit.
Hady
sollte bei ihm bleiben, er traute sich nicht alleine im Zimmer zu
bleiben. Ich hatte noch kein Wort von Abdelfarid gehört, er
flüsterte seinem Vater nur ins Ohr, während Hady es mit gebrochenem
Englisch übersetzte.
Ich
dachte mir natürlich meinen Teil und meine Mutter auch, doch wir
sagten natürlich Nichts.
Wir
riefen sie zum Essen. Für den Kleinen hatten wir Pfannkuchen
gemacht, für uns Nudeln mit Tomatensoße. Abdelfarid schmeckte es,
ließ sich aber sehr bitten, damit er etwas aß. Nach einigen
Versuchen ihm etwas zu essen zu geben, sagte er leise: "No".
Hady
war das unangenehm, er fragte seinen Sohn auf Farsi, warum er denn
nichts aß und Abdelfarid antwortete: "Es ist mir peinlich, von
diesen Menschen Essen annehmen zu müssen." Müssen.
Da
wurde mir das erste Mal etwas klar. Für uns war das
selbstverständlich, ihm etwas zu geben, doch als ich mich in seine
Situation versetzte, verstand ich ihn.
Wir
genießen es manchmal, wenn es uns nicht gut geht. Wir heulen anderen
etwas vor, damit sie sich um uns kümmern und uns lieben. Hier ging
es um ein ganz anderes "Schlechtgehen"
Nun
begann meine Mutter ganz diskret nach ihrer Geschichte zu fragen.
Hady antwortete mit einem traurigem Lächeln auf den Lippen, als wäre
es ganz normal.
Sie
kamen aus einem Dorf in Afghanistan. Sie gehörten der shiitishen
Minderheit an. Sie beschlossen zu flüchten. Sie beschlossen alles
aufzugeben. Sie beschlossen, ihr Leben hinter sich zu lassen. Sie
wussten, sie würden sonst nicht in Frieden weiterleben können. Sie
wussten, sie würden nicht weiterleben können. Sie fuhren mit der
gesamten Familie los. Sie mussten illgeal in den Iran. Sie mussten
den ersten Schlepper bezahlen. Sie mussten. Sie mussten in einen
Laster. Sie flogen auf. Sie flohen. Sie mussten. Sie entkamen. Sie
verloren den Rest ihrer Familie. Sie verloren ihre Mütter. Sie
verloren ihre kleinen Geschwister. Sie fuhren mit. Sie mussten. Sie
wanderten. Sie mussten durch das Elbursgebirge. Sie wurden entdeckt.
Sie mussten vor Schüssen wegrennen. Sie mussten Menschen sterben
sehen. Sie mussten Kinder sterben sehen. Sie mussten Schmerzen
ertragen. Sie mussten. Sie mussten von Steinen getroffen werden. Sie
mussten bluten. Sie kamen bis nach Griechenland. Sie mussten ihr
letztes Geld ausgeben. Sie mussten auf ein Schlauchbot. Sie waren 30.
Sie mussten frieren. Sie mussten dem Tod so nah sein wie nie. Sie
mussten. Sie konnten keinen Kontakt mit ihrer Familie haben. Sie
mussten sich registrieren lassen. Sie mussten warten. Sie mussten.
Sie kamen nach Deutschland. Sie kamen nach Berlin. Sie mussten
warten. Sie mussten frieren. Sie mussten. Sie kamen zu uns. Sie
mussten. Sie wollten? Sie mussten.
Ich
konnte nicht mehr. Ich musste raus. Wie unglaublich peinlich, dass
sie mir auf diese Art und Weise ihre Geschichte offenbaren und ich
der bin, der der sie nicht ertragen kann. Ich habe oft gegen das Wort
"First World Problems" gekämpft.
Probleme
sind nicht relativ, sie sind nicht erklärbar und bewertbar. Wie sehr
kann man sich irren. Das Einzige was ich in diesem Momemt in meinem
Zimmer verspürte, war Scham. Scham für jede einzelne Träne, die
ich je vergossen habe, für jeden Augenblick in dem ich mein Leben
verflucht habe. Ich blickte in meinem Zimmer herum. Abdelfarid hatte
das gesamte Lego durchsucht und alle Waffen herauusgenommen, sie fein
säuberlich sortiert und kleinen Männchen angelegt.
Ein
Junge von 7 Jahren musste bereits miterleben, seine kleine Schwester
zu verlieren, seine Mutter zu verlieren, miterleben, wie auf ihn
geschossen wurde, musste mit dem Tod kämpfen und ich wundere mich,
dass er nichts essen will.
Ich
bin fast 11 Jahre älter als er und kann noch nichtmal den Gedanken
daran ertragen.
Ein
so kleiner Mensch wird mit so einem Leben konfrontiert. Das hat
längst nichts mehr mit Gerechtigkeit zu tun. Es kann keinen Gott
geben, das kann kein Gott einem Kind zumuten.
Wir
trafen sie noch einige Male wieder. Alles schien darauf hinzuweisen,
dass sie nicht bleiben könnten. Ihre Minderheit wird in Afghanistan
nicht mit dem Tod verfolgt. Meine Mutter setzte alle Hebel in
Bewegung, doch sie wollten nicht bleiben. Sie hatten Freunde in
Schweden und da wollten sie auch hin. Ich habe seitdem nichts mehr
von Ihnen gehört. Abdelfarids Mutter und ihr ein Jahr altes Baby ist
illegal im Iran. Wenn sie erwischt werden, werden sie nicht
abgeschoben, sie wird erschossen.
Immer
öfter hörte man nun von Pegida, von Angriffen auf
Flüchtlingsheimen, Rostock Lichtenhagen in extrem.
Die
Interviews waren erschreckend. Gar nicht nötig, darüber zu
berichten. Jeder kennt es. Jeder regt sich darüber auf, der Eine
mehr, der Andere weniger. Meine Freunde engagierten sich, in Heimen
auf Gegendemos, mit Plakaten, mit T-shirts...
Ich
freute mich, doch langsam verschwand das. Langsam verschwanden die
Refugees welcome Aufschriften. Langsam redete man nicht mehr darüber.
Ein neues Jahr brach an. Langsam.
"Wie
soll man den mit solchen Massen Integration betreiben?""Ja
es ist klar, alle kann man nicht aufnehmen.""Naja""Wieso
muss Deutschland eigentlich alles machen?""Irgendwann ist
auch Schluss""Die kommen ja aus einer völlig anderen
Kultur""Das wird auf jeden Fall eine riesige Aufgabe""Es
regt mich auf, dass es keine Disskussion gibt"""Naja
es ist halt Fakt, dass das in Köln Flüchtlinge waren"Naja""Man
darf ja nichts mehr sagen!""Du musst das auch mal
pragmatisch sehen""Naja""Ich meine das Frauenbild
ist ja schon anders da.""Egal lass über was anderes reden"
"Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naj
a""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""
Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naj
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Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja
""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Na
ja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""
Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja
""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Na
ja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""
Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naj
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a""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""
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ja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja""Naja"
Shitstorm.
Shitsorm auf Seehofer, der Politik mit dem Leben von Menschen macht.
Shitstorm auf Petry. Shitstorm auf Lutz Bachmann. Aber naja.
Najanaja. Eigentlich...
Wir
wollen unsere Frauen schützen. UNSERE Frauen. Die haben ein ganz
anderes Frauenbild als wir. Wir grabbeln nicht. Nein heißt nicht ja
bei uns MännernZWINKERSMILEY. Riesentitten in der Werbung... Naja.
Ich
gebe zu, ich habe keine Lösung, ich kann die Menschen nicht ändern.
Ich kann auch meine guten Freunde nicht ändern. Ich kann nicht alle
in meiner Wohnung aufnehmen. Ich gebe zu, ich kann man Leben nicht
abgeben. Ich gebe zu, ich kann nicht ändern, dass man Menschen ihren
Wunsch nach einem Leben absprechen möchte. Wirtschaftsflüchtlinge.
Was ist das für ein Wort? Würdet ihr nicht versuchen, das beste
Leben zu führen? Ich gebe zu, ich kann es nicht ändern. Aber ich
gebe zu: Eines kann ich ändern. Ich kann diesen Text hier schreiben
und einen Zweiten und einen Dritten. Und ich kann mich ändern und
ich kann hoffen. Hoffen kann ich. Ich kann hoffen, dass alles wieder
gut wird. Trotzdem. Trotzallem. Trotzalldem kann ich hoffen. Und
vorallem gebe ich zu, ich kann eines: Ich kann nicht alles ändern,
aber ich kann es versuchen. Das reicht mir.
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